zur Erinnerung

Abschied ist ein leises Wort

Feldmann, Klaus

Oertel, Heinz Florian

Stengel, Hansgeorg


Im Alter von 95 Jahren: DDR-Sportreporter Heinz Florian Oertel gestorben * 11. Dezember 1927 in Cottbus;
† 27. März 2023 in Berlin;
Der frühere DDR-Sportreporter Heinz Florian Oertel ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Während seiner Karriere hatte er von 17 Olympischen Spielen und acht Fußball-WMs berichtet.

Heinz Florian Oertel ist tot. Das bestätigte seine Familie der Deutschen Presse-Agentur. Oertel wurde 95 Jahre alt. Der Fernseh- und Hörfunkjournalist, der 1981 in Leipzig promoviert hatte, berichtete unter anderen von 17 Olympischen Spielen und acht Fußball-Weltmeisterschaften.

Er galt als Multitalent des Sprechens, nahm seine Zuhörer mit in sein Gefühlsleben. Oertel verfügte über ein großes Fach- und Allgemeinwissen, war nicht nur auf den Sport fixiert. Er war als Moderator von Fernsehsendungen wie "Ein Kessel Buntes" tätig und führte auch durch Sendungen in Radio und Fernsehen wie "He, he, he - Sport an der Spree", "Schlager einer großen Stadt" und "Porträt per Telefon".

Heinz Florian Oertel starb vier Monate nach seinem 95. Geburtstag
Foto: Benjamin Weinkauf

Sein "Waldemar, Waldemar!" hatte den Reporter mit der hohen Stirn und der blumigen Sprache für immer berühmt gemacht: Mit drei prägnanten Sätzen in neun Sekunden setzte sich Oertel am 1. August 1980 - ungewollt und ungeahnt - selbst ein Denkmal.

"Liebe junge Väter oder angehende - haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!" Zum zweiten Mal nach 1976 kommentierte der gebürtige Lausitzer in Moskau das olympischen Goldrennen von Marathonläufer Waldemar Cierpinski.

Nach der Wende kommentierte Oertel im Dezember 1989 für den Südwestfunk das Bundesligaspiel zwischen dem VfB Stuttgart und dem 1. FC Köln. Er war Autor und Herausgeber zahlreicher Olympia-Bücher und unterrichtete an Hochschulen in Ost und West.

Zum Sterben ging es nach Hause. DDR-Sportreporter-Legende Heinz Florian Oertel ist tot.

Zu seinem 95. Geburtstag am 11. Dezember sollten schon keine Gratulanten mehr in seinem Haus in Berlin-Schönholz erscheinen. Anfang des Jahres verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Heinz Florian Oertel abrupt. Ehefrau Hannelore musste ihn in die Klinik verlegen.

Die Ärzte entließen ihn jedoch wenig später wieder. Es ging zum Sterben zurück zur Familie. Nach BILD-Informationen ist er dort am 27. März friedlich eingeschlafen.

Heinz Florian Oertel beim Interview mit Weitsprung-Legende Heike Drechsler
Foto: ullstein bild

Der damalige DDR-Staatschef Walter Ulbricht gratuliert Friedensfahrer Gustaf Adolf "Täve" Schur. Heinz Florian Oertel hielt das Mikrofon dazwischen
Foto: Ronny Hartmann

Oertel im Jahr 1978 im DDR-Fernsehen
Foto: Winkler/Archiv Berliner Verlag

Oertel war als Moderator bei 17 Olympischen Spielen im Einsatz gewesen
Foto: imago/Werner Schulze

Oertel berichtete von 17 (!) Olympischen Spielen (ab 1952 in Helsinki) und acht Fußball-Weltmeisterschaften. Doch er war sich nie zu schade, auch kleine Ereignisse zu moderieren. "Es war am 15. Mai 1976, als er das Schwimmbad Kiebitzberge in Kleinmachnow bei Potsdam eröffnete", erinnert sich Schauspielerin Anne Kasprik (52).

Nach einer Hüft-OP 2017 fiel ihm das Gehen schwer. In den letzten Monaten konnte Heinz Florian Oertel nicht mehr aus dem Haus gehen. "Er lag nur in seinem Zimmer, guckte aber viel Fernsehen - vor allem Sportsendungen", weiß ein Freund.

Seine berühmtesten Worte sprach Heinz-Florian Oertel als Sportreporter am 1. August 1980: "Nennen Sie ihre Neuankömmlinge Waldemar", jubelte er ins Mikrofon des DDR-Fernsehens, während Marathonläufer Waldemar Cierpinski (heute 71) in Moskau seinen zweiten Olympiasieg holte. Es ist aber nicht bekannt, ob Eltern der Aufforderung folgten.

Aber Oertel (von 1946 bis 1989 SED-Mitglied) war nicht nur Fernseh-Reporter. Er arbeitete auch als Zeitungsjournalist, Entertainer, Schauspieler. Von 1969 bis 1990 interviewte er in 245 Folgen "Porträt per Telefon" Prominente aus Kultur, Politik, Wirtschaft und natürlich Sport.

Eine Aufnahme aus dem Jahr 2014 zeigt den damals 87-jährigen Oertel im Stadion von Einheit Pankow in Berlin. Dort hatte er 1950 seinen ersten Radiobericht über ein Fußballspiel gesendet
Foto: picture alliance / dpa

In seiner Geburtsstadt Cottbus spielte er von 1946 bis 1948 Theater, wurde anschließend Lehrer für Deutsch und Geschichte. 1949 ging er zum DDR-Radio. Ab 1955 arbeitete er parallel beim DDR-Fernsehen. 1981 promovierte er an der Karl-Marx-Universität Leipzig.

Das Ministerium für Staatssicherheit wurde auf ihn aufmerksam, führte ihn als "Gesellschaftlichen Mitarbeiter" (Deckname: "Heinz"). Eine Stasi-Verpflichtungserklärung aber unterschrieb er nie.

Nach der Wende wurde es ruhig um Oertel. Als Dozent an den Universitäten Berlin und Göttingen verdiente er sich ein Paar Mark dazu.

Den schwersten Schicksalsschlag erfuhr der sympathische Moderator im Januar 2008. Seine Tochter Annette (Dramaturgin) starb mit nur 43 Jahren an Krebs.

Im hohen Alter von 80 Jahren muss sich der Großvater Oertel um seinen Enkel kümmern.

Dennoch veröffentlichte er diverse Bücher, unter anderem Werke über die Olympischen Spiele, und arbeitete als Dozent für Rhetorik.

Vor seinem 90. Geburtstag zog er sich krankheitsbedingt zurück.

Auf sein Leben geblickt resümierte Oertel im rbb: "Ich habe so viel erlebt. In vier verschiedenen gesellschaftlichen Systemen. Ich kann nur sagen: Danke! Ich hatte ein sehr reiches Leben, weil: überreiches Erleben."

Vor einigen Jahren kaufte Oertel die Grabstelle neben ihr auf dem Friedhof der Hermann-Hesse-Straße in Berlin-Pankow. Dort wird er in aller Stille im engen Familienkreis beigesetzt.


Quellen: Bild / Tagesspiegel


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 17.07.2023 - 09:04